#30 Heiserkeit, was nun?

Happy vocalfriday! Winterzeit ist Verkühlungszeit. Trockene Luft, die Kälte… alles nicht unbedingt super Bedingungen für die Stimme. Dazu kommt vielleicht noch Stress. Heiserkeit kann wirklich viele Gründe haben. Wirklich viiiiiele, viele Gründe. Vor allem, wenn sie lange bleibt und oft wieder kommt, ist es an der Zeit, sich intensiv damit auseinander zu setzen.

Regel Nummer eins. Wenn du dir Sorgen machst, geh zum HNO-Arzt. Ein Blick auf die Stimmbänder gibt meistens ganz gut Auskunft: „nur gerötet“ und entzündet? Oder doch ein anderes Problem an den Stimmbändern, das einen rasch ermüden lässt? Wer weiß, was los ist, tut sich leichter bei der Behandlung. Anstatt lange herumzuraten.

Schweigen und Teetrinken ist mal ein Anfang. Aber nicht immer das Ende der Heiserkeit. (c) Pixabay/silviarita

Ich bin kein Arzt und kein Logopäde. Aber eines kann ich bei einmaliger Heiserkeit jedenfalls raten: absolute Stimmschonung. Ruhe. Nada. Niente. Tacet! Auch kein Flüstern, kein Summen, kein gar nichts! 24 Stunden, 48 Stunden. Wer’s schafft und sich „leisten“ kann: drei Tage. Und danach mit leichten Übungen wieder die Stimmbänder in Schwingung setzen (gerne unter professioneller Anleitung). Etwa mit SOVT-Übungen, also Liptrills, auf „V“ singen oder summen oder „ng“… langsam, easy – aber mit der nötigen Support-Energie.

Kannst du aber wieder Töne von dir geben, ohne, dass diese luftig/heiser klingen bzw. dich anstrengen, dann schaut’s doch ganz gut aus. Ist es immer noch nicht besser geworden: Ab zum Arzt.

Spannend ist es für viele Sänger natürlich: Heiserkeit einen Tag vorm Gig. Durchziehen oder absagen? Schmaler Grat, würde ich sagen. Ich denke, das hängt von Intensität der Heiserkeit, von der Dauer des Gigs ab. Ich hab‘ am eigenen Leib erfahren, dass absagen vielleicht doch mehr Sinn macht. Aber eine:n Ersatzsänger:in für eine Hochzeit zu finden, ist natürlich vielleicht leichter, als das erste große Konzert mit der eigenen Band mit geladenen Plattenbossen abzusagen. (Okay, das ist ein bisschen ein Pseudo-Szenario, aber ihr wisst, was ich meine). Aber stimmlich angeschlagen die Plattenchefs überzeugen zu wollen – auch das ist vielleicht nicht die beste Idee. Man kann mit Technik und Tontechnik natürlich einiges übertünchen, aber wenn du gar keinen Ton klar und ohne heisere Geräusche dabei singen kannst, ist wohl eber abzuraten.

Wichtige Frage: Woher kommt die Heiserkeit?

Als Gesangspädagoge ist mir natürlich wichtig, herauszufinden: Woher kommt die Heiserkeit? Bei einer Infektion ist das natürlich mehr oder weniger offensichtlich. Aber wenn die Heiserkeit unmittelbar vom Sprechen/Singen kommt, muss man der Sache schon genauer auf den Grund gehen. Kann man technisch Dinge angehen und verbessern – oder gibt es doch Probleme an/um die Stimmbänder, die pathologisch sind. Ein guter Anhaltspunkt sind immer die leichten und einfachen Übungen – nach kurzem Check, ob der*die Sänger:in seine Stützmuskeln richtig einsetzt. Können wir Töne unangestrengt (ohne hörbare Luftgeräusche) produzieren, die sich für den*die Sänger:in gut anfühlen? Wenn ja, super! Darauf bauen wir auf. Langsam. Ohne Druck. Auch das Selbstvertrauen braucht vielleicht einen langsamen Aufbau. Das Vertrauen, dass man wieder singen kann, ohne dabei heiser zu werden.

Den Teufelskreis durchbrechen

Oft ist es eben ein Teufelskreis. „Schlechte Technik“ führt zu Heiserkeit. Gefolgt von noch mehr „Krampf“ beim Singen, um die Heiserkeit zu „kaschieren“ oder um die Stimme überhaupt noch bewältigen zu können. Das führt zu noch mehr Heiserkeit/Krampf… bis Singen nicht mehr geht. Dann kommt die Regenerationsphase (Schweigen, Abwarten). Und dann geht der Kreislauf von vorne los. Und auf Dauer ist das natürlich ein Gefahrenpotenzial für echte Stimmschäden. Einerseits natürlich: Passt auf eure Stimme auf. Andererseits: Die Stimme hält schon ein bisserl was aus.

Also wenn Schweigen sich nicht ausgeht bzw. die Heilung einer Infektion schneller gehen soll, dann – abgesehen von dem, was Ex-Medizinstudierende eurer Wahl empfiehlen – empfiehlt sich auf jeden Fall Inhalieren. Heißes Wasser. Nicht brühend heiß und nicht zu intensiv jedenfalls. Evtl. mit bissl Salbei. Wasser alleine genügt aber schon, um die Schleimhäute zu befeuchten. Viel trinken hilft natürlich auch. Das Eigenartige ist ja, dass nichts unmittelbar an eure Stimmbänder rankommt. Also, Wasser, Hustenbonbons und Co. Ich hoffe doch, ihr schluckt das Zeug in Richtung Speiseröhre und lasst nichts in eure Lunge sickern. Deshalb kommt nur Inhalieren unmittelbar an eure Stimmbänder ran. Weil die feuchte, warme Luft beim Einatmen in die Lunge an den Stimmbändern vorbeikommt. Die Profis schwören ja auch diese kleinen Steaming-Geräte. Aber da habe ich zu wenig Erfahrung, um euch etwas zu empfehlen.

Wenn ich etwa bissl heiser vom Vortags-Gig bin oder bei einer Recording-Session merke, dass meine Stimme ein bisserl angestrengt ist und kratzt, dann hilft mir eines dieser Lutschdinger von GeloRevoice. Wie auch immer das wirken mag… bei Heiserkeit durch Infektion oder durch Überanstrengung ist Schweigen trotzedem der bessere Rat.

Aber so hat vielleicht jeder seinen Geheimtipp, der ihm*ihr hilft. Und wie beim Singen gilt auch hier: Hilft’s? Dann hilft’s! Und Ingwertee mit Zitrone hat noch niemandem geschadet 🙂 Viel Trinken ist natürlich generell ein guter Tipp bei Infektionen – und generell bis zu vier Stunden vor einem Gig. Weil die Schleimhäute natürlich generell vom Wasservorrat im Körper „leben“.

Also achtet auf eure Stimme. Schweigen bei Heiserkeit ist sehr zu empfehlen, ob bei Infektionen vor Gigs oder nach Überanstrengung. Bei zweiterem gilt es, herauszufinden, wo/wie/warum die Überanstrengung passiert. Im Zweifel: Fragen Sie Ihren Stimm-Arzt!

Und wenn’s doch mal was Gröberes ist – erstens nur nicht den Mut verlieren. Das ist den größten Stars passiert. Nicht jedes Knötchen lässt sich mit „schlechter Technik“ erklären. Bzw. wir sind alle nur Menschen. In der Diagnose schwingt ja manchmal ein Stück „Schuld“ mit, bzw. man sei dann ein:e „schlechte:r Sänger:in“. Das ist Bullshit. Daher umso größer mein Dank an alle großartigen Sänger:innen da draußen, die sich trauen, offen über ihre Stimmprobleme zu reden. Das ist wichtig. Denn das kann wirklich uns allen passieren. Aber keine Sorge, so schnell geht das schon nicht 🙂 Also habt Vertrauen in euch und eure wunderbaren Stimmen und „keep on singing“. Außer ihr seid heiser. Ach, ihr wisst schon… 🙂

Veröffentlicht von Klemens Patek | vocalfriday

Vocal Coach | Sänger - Frage drei Gesangslehrer und du bekommst vier Antworten. Hier bekommst du die fünfte ;) Bei mir geht's ums Singen, um Gesangstechnik, um CVT (Complete Vocal Technique) und Themen wie Achtsamkeit, Selbstvertrauen und Künstlersein. Bin gespannt, wohin mich die Reise führt. Das wichtigste für mich: Respekt und freundschaftlicher Austausch. Bashing anderer Künstler oder Coaches liegt mir fern. Mein Motto: Richtig ist, was dem/der Sänger*in gut tut und konkret weiterhift!

Hinterlasse einen Kommentar