#72 Vocal-Fry-Day! Wenn’s in der Stimme knistert

Stimmbraten-Tag. Also, wenn man mal Google Translate befragt, was „fry“ heißt… Oder auch frittieren. Wie das jetzt im Zusammenhang mit dem Sound bzw. der Stimmbandfunktion steht, ist mir ein kleines Rätsel, könnte man aber wahrscheinlich auch noch googeln. Ich tipp ja fast auf einen akkustischen Zusammenhang, bzw. Onomatopoesie. Also dass das Wort das ausdrückt, wie es klingt. Okay, wenn ihr ihr jetzt immer noch nicht wisst, worüber ich heute schreibe… mich würd’s nicht wundern… Also Vocal Fry ist diese eigenartige Funktion, die andere auch „Creak“ nennen. Unlängst beim „Michelle“-Blog ist es schon vorgekommen, es ist dieses Britney-Spears-Raunzen, das witzig-lazy Gefühl, als würden so kleine Knisterdinger auf den Stimmbändern blubbern, wie sie in diesem Sackerl mit dem einen Schlecker immer waren… Mir fällt nicht ein, wie das geheißen, diese Brause-Blubber-Knisterzeug.

Ist es Weihrauch? Ist es Bernstein? Nein, es sind „Pop Rocks“, dieses Zuckerzeug, das so knistert. Erinnert mich immer an Vocalfry.

Na ich lass euch mal Sprachtherapeutin Laura Purcell Verdun den Sound kurz erklären und vormachen, dann wisst ihr, worum es geht. Nicht verwirren lassen, auch Vocal Fry ist eine Angewohnheit, die etwa beim Sprechen dazu führen kann, dass man rasch ermüdet, wenn man laut spricht, bzw. überhaupt Probleme hat, laut zu sprechen. Insofern ist im hinteren Teil des Videos die Rede davon, wie man mit Klienten daran arbeitet, Vocal Fry loszuwerden. Im Singen setzen Vocal Fry ein bisserl anders ein – als Effekt. Aber natürlich gibts auch Fälle, wo wir den Effekt erst „loswerden“ müssen, weil er sich ständig unkontrolliert in den Klang mischt… Also hier das kurze Erklärvideo… einfach reinhören, bis Laura Purcell Verdun den Sound demonstriert.

Nicht verwirren lassen, dass Laura Purcell Verdun davon spricht, wie man quasi gegen Vocal Fry in der Stimme vorgehen soll. Aus sprachtherapeutischer Sicht kann Vocalfry durchaus ein Problem sein – etwa weil es verhindert, dass Menschen laut sprechen. Wer mit Vocal Fry laut sprechen will, läuft relativ rasch in Heiserkeit-Probleme. Bzw. ist das auch eine Gewohnheit, die manche vielleicht einfach ein bisschen in den Griff bekommen wollen. Eine sehr „moderne“ Gewohnheit übrigens… Vor allem bei englischsprachigen Jugendlichen.

Aber zurück zum Singen. In vielen Beschreibungen wird Vocal Fry als eigenständiges Register, bzw. als M0 (Mechanmism 0) bezeichnet. Allerdings ist das für die meisten Sänger:innen eher irrelevant in dem Sinne, als niemand dort einen „Bruch“ hat, der einen beim Singen stört. Es ist eine Funktion, in der wir auch keinen bestimmten Ton singen, es ist eher ein Geräusch.

Kurzer Begriffs-Exkurs…In der Complete Vocal Technique unterscheidet man hier ganz bewusst zwischen den Begriffen „Creak“ und „Creaking“. Ersteres ist sozusagen das Geräusch, das wir maximal als Verzierungseffekt am Beginn oder Ende einer Phrase verwenden. „Creaking“ bezeichnet hingegen den Effekt während eines Tones. Etwa oft bei Jamie Cullum zu hören. Beide Begriffe fallen wohl bei vielen Gesangsmenschen unter den Begriff „Vocal Fry“.

Weswegen bei mir „Vocal Fry“ aber wieder zuletzt wieder mehr in den Fokus rückt, war ein wunderbarer Online-Workshop von Chris Johnson (veranstaltet vom Voice Study Centre) über Register mit dem wunderbaren Untertitel: „Getting the House in Order“, also das „Haus in Ordnung bringen“. Natürlich fand ich den Workshop cool, weil das auch meiner Philosophie entspricht… Also kurz zusammengefasst: Wenn ich nicht Kopf- und Bruststimmsounds getrennt sauber produzieren kann, wenn einer der beiden Mechanismen nicht funktioniert, dann brauch‘ ich auch nicht daran arbeiten, sie smooth zu überblenden. Also Übergang ist erst dann wesentlich, wenn ich was hab, von dem bzw. wohin ich „hinübergehen“ kann.

Dick und kurz und nicht viel Luft

Aber ich schweife ab. Ich habe schon früher öfters Vocal Fry als Übung für Bruststimme eingesetzt, bzw. selbst verwendet. Manche empfinden das Gefühl generell als stimmentspannend. Aber was mir Chris Johnson wieder bewusst gemacht hat, er verwendet Vocal Fry als eine Art Check für die Bruststimme. Denn während der Knistersound im Idealfall „locker“ auf Stimmbandebene entsteht, sind diese kurz und dick. Sozusagen entspannt in Sprechposition, in Bruststimmposition. Für Sänger:innen, die ihr Leben lang in Kopfstimme singen – oder wie ich etwa dazu tendieren, die Stimme rasch auszudünnen und damit manchmal der Lautstärke ein bisserl im Weg stehen – kann das also eine gute Übung sein, um das Setting für rohen Bruststimmklang mit Rufcharakter vorzubereiten.

Als Check kann man Vocal Fry insofern sehen (aus Vocal-Coach-Sicht) als man am Nicht-Funktionieren bzw. am zu hauchigen bzw. zu „festen“ Vocal Fry, das vielleicht schon in Richtung Distortion geht, erkennen kann, dass das Stimmbandsetting für Bruststimme vielleicht nicht so im Muskelgedächtnis des:der Sänger*in ist. Dass es hier etwas zu arbeiten gibt. Und: Gutes, „klares“, entspanntes Vocal Fry braucht nicht viel Luft bzw. eine gute Dosierung des subglottalen Drucks. Auch gut, das zu beobachten, wenn man vielleicht dazu neigt, Bruststimmtöne zu sehr zu forcieren.

Also hier noch ein paar Tipps für Vocal Fry:
– Hintervokale können helfen (o, u)
– dunkle Klangfarbe kann helfen, großen Vokaltrakt denken
– Luftstrom reduzieren, „so wenig Luft wie möglich“
– Vom Vocal Fry in einen beliebigen Sound und zurück. Luftstrom dabei „nicht forcieren“.

Also zusammengefasst: Vocal Fry kann eine gute Bruststimmübung sein, weil das darunterliegende Stimmbandsetting (kurz/dick) ein Ähnliches ist. Und: es kann ein spannender Effekt am Tonansatz bzw. -absatz sein. Muss ja nicht gleich Britney-Spears-Dosierung sein.

Der Blog heißt ja auch deshalb Vocalfriday, weil das sozusagen ein versteckter Gesangsbegriff ist. Nur falls das bisher noch nicht so klar war 🙂 Und auch wegen des Erscheinungstags und auch traditionellen Unterrichtstags in Wiener Neustadt. Und wegen meines Nachnamens. Natürlich. Eh klar. Das lass’ ich euch jetzt im Zweifel aber googeln. #česképříjmení

Angenehmen Vocalfriday wünsch‘ ich euch!

Das Voice Study Centre hat übrigens immer wieder coole Online-Webinare bzw. Workshops zu bieten – vor allem für Gesangspädagog*innen. Wen das interessiert, findet hier die nächsten Termine und Themen:
https://voicestudycentre.com/short-courses/

Veröffentlicht von Klemens Patek | vocalfriday

Vocal Coach | Sänger - Frage drei Gesangslehrer und du bekommst vier Antworten. Hier bekommst du die fünfte ;) Bei mir geht's ums Singen, um Gesangstechnik, um CVT (Complete Vocal Technique) und Themen wie Achtsamkeit, Selbstvertrauen und Künstlersein. Bin gespannt, wohin mich die Reise führt. Das wichtigste für mich: Respekt und freundschaftlicher Austausch. Bashing anderer Künstler oder Coaches liegt mir fern. Mein Motto: Richtig ist, was dem/der Sänger*in gut tut und konkret weiterhift!

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